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Die Vorläufigkeit unserer Umstände – Martin Mosebachs „Der Ultramontane“

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ultramontane(Rezension aus Sezession 52 / Februar 2013)

Daß der Schriftsteller und Büchnerpreisträger Martin Mosebach gläubiger Katholik und souveräner Verteidiger der vorkonziliaren, lateinischen Liturgie ist, hat sich unter Konservativen herumgesprochen. Seine Häresie der Formlosigkeit (zunächst Karolinger, später Hanser) gehört zu den Schlüsselwerken, die im Staatspolitischen Handbuch des Instituts für Staatspolitik jedem gutsortierten Bücherschrank anempfohlen sind. Mosebach selbst wird in Band 3 dieses Handbuchs als Vordenker gewürdigt. Seine Textsammlung Der Ultramontane unterstreicht seinen Ruf und bestätigt seine Würdigung.

Mosebach ist zweifelsohne selbst ein Ultramontaner, also einer jener fast anachronistischen Katholiken, deren Loyalität zu einem entscheidenden Teil nicht ihrem Vaterland, sondern dem Papst in Rom gilt: jenseits der Berge – ultra montes. Wo dieser Begriff nach der Reichsgründung von 1871 den Preußen als Schmähwort gegen den unzuverlässigen, katholischen Süden diente, hat er heute jede Wucht verloren.

»Ultramontanismus heißt, ein Gefühl für die Vorläufigkeit unserer Umstände zu entwickeln, zu lernen, sie als Übergangsphase zu begreifen«, heißt es im Titel-Aufsatz. Ist das nicht tröstlich angesichts des offenen Wahns vieler intellektueller Diskussionen und politischer Entscheidungen unserer Gegenwart? Und kräftigt es nicht jeden Konservativen, »daß die Gesellschaft seines Heimatlandes in den Fragen von Recht und Moral nicht das letzte Wort zu sprechen hat«? Ultramontanismus nämlich »ist die große, antitotalitäre Verweigerung«, und dies ernstgenommen führt zu Widerstandsakten, wo sich die »deutsche Zivilreligion und ihre Doktrinen« das Setzen von Maßstäben vorbehalten möchten.

Mosebach hat das ungewollt bewiesen, als er im Juni 2012 Thesen zum Druck freigab, die eigentlich nur ein Diskussionsimpuls für eine Tagung über die Grenzen der Kunst sein sollten. »Vom Wert des Verbietens« (Text 13 im Buch) enthält Mosebachs Verstehen-Wollen gläubigen Unmuts gegen blasphemische Darstellungen dessen, was für einen Künstler wohl Spielmasse, für einen Gläubigen indes objektive Wahrheit ist. Mosebach hatte nach dem Erstdruck seiner Überlegungen in der Frankfurter Rundschau nicht mit der Vehemenz der Reaktionen gerechnet, vor allem nicht mit dem Unwillen des Feuilletons, wohlwollend und nüchtern zu lesen. Er wird aus dieser Debatte einiges gelernt haben und auf einen entrümpelten Bekanntenkreis blicken.

Indes: Man täte dem Buch unrecht, wollte man es brisant lesen. Nach der Lektüre der 16 im Band versammelten Texte geht man gelassener durch den Tag. Glanzstücke sind jene über »Das Gebet« und über das Amtsverständnis Benedikts XVI.: »Er ist ja nur der Papst«. Hier dient Mosebach der Sprache – und würde wohl, lobte man ihn, zur Antwort geben, er sei ja nur der Autor.

Martin Mosebach: Der Ultramontane. Alle Wege führen nach Rom, Augsburg: Sankt Ulrich 2012. 160 S., 16.95 €


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